Alpencross 2018 | |
Ehrwald – Riva del Garda | |
Ein Alpencross ist wohl der Traum eines jeden
Mountainbikers. Die Alpen von Nord nach Süd
überqueren. Eine Fahrt durch einsame Täler, auf
Schotterwegen und Singletrails, über Almen,
Kuhwiesen, lange Pässe und schroffe Felsen. Also
auf den Spuren von Hannibal, Kaufleuten und
Händlern.
Mit meinen Freunden Jochen, Reinhard und
Wolfgang hatte ich dieses Erlebnis bereits im
Jahr 2010. Mein Wunsch, die Alpen nochmals vor
meinem 70. Geburtstag zu überqueren, traf auf
große Begeisterung. Als Termin war Juli 2017
vorgesehen. Aufgrund von zwei Unfällen fand die
Tour nun erst im Juli 2018 statt – leider konnte
Jochen nicht mehr dabei sein.
Eine geeignete Route fanden wir im Internet.
Wolfgang verfeinerte (…nicht so viel Straße…),
plante teilweise neu und baute den Tremalzo Pass
mit ein. Übernachtungsmöglichkeiten wurden
recherchiert, aber nicht gebucht – und es hat
immer geklappt. Lieber Wolfgang, danke dafür. |
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Von Gütersloh nach
Ehrwald und die Tour kann beginnen
Tag 1: Ehrwald – Venetalm – Wenns, 58 Kilometer,
1.950 Höhenmeter
Pünktlich um 9:00 Uhr starteten wir bei
strahlendem Wetter und fuhren die ersten 15
Kilometer auf uns bekannten Wegen, der Via
Claudia Augusta, die wir schon vor acht Jahren
gefahren waren. Zuerst ging es durch einen
wunderschönen Lärchenwald, vorbei am Weissensee,
bevor wir nach einigen |
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kurzen Rampen die Fernpass-Straße überquerten. Ein Singletrail führte uns durch das Schloss Fernstein. Über Nassereith und Imst erreichten wir schließlich Imsterberg. Am Dorfbrunnen wurden nochmals die Wasserflaschen gefüllt, und die Quälerei konnte beginnen. 11 Kilometer mit 1.300 Höhenmetern zur Venetalm lagen vor uns inklusive vieler Pausen und Schiebepassagen. Da wir auf der Alm nicht übernachten konnten, fuhren wir auf einer Wald- und Schotterpiste bergab bis Wenns, wo wir sehr gut und preiswert im „Pitztaler Hof“ die Nacht verbrachten. | |
Auf der Venetalm
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=otutxeoacfeaoyfr
Tag 2: Wenns – Pillerhöhe – Sur En (CH), 73
Kilometer, 1.520 Höhenmeter
Ab dem Hotel fuhren wir die ersten 15 Kilometer
fast nur bergauf. Durch Baumstämme versperrte
Forstwege machten uns das Leben schwer. Auf der
Alternativstrecke war Schieben angesagt, aber
irgendwann erreichten wir die Pillerhöhe und
konnten die wunderbare Aussicht genießen. Auf
Asphalt fuhren wir rasant ins Oberinntal nach
Prutz. Nach einer weiteren Schiebepassage über
1,5 Kilometer erreichten wir Pfunds, die
Kajetansbrücke und im Regen die Schweizer Grenze
in Martina. Nach einer weiteren Stunde kamen wir
im Gasthof in Sur En an und konnten die
Spaghetti
aglio e olio für 20 EUR genießen!!! |
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Gesperrte Forstwege und auf der Pillerhöhe Tag 3: Sur En (CH) – Uina Schlucht – Morter (I), 60 Kilometer, 1.500 Höhenmeter |
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Gleich hinter dem Hotel ging es über eine breite Schotterstraße gleich sehr steil hinauf Richtung Val d'Uina. Schweißtreibend und mit vielen Pausen mussten wir das Rad über einige Stege und große Felsbrocken tragen, und ich war froh als das Hinweisschild „Bike nur stossen“ kam. Wir waren am Rande der Uina Schlucht – ab hier ist der Weg landschaftlich eine Sensation. Maximal 1,30 |
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Meter breit, ein von Menschenhand in den Fels geschlagener Pfad, rechts abfallend tiefe Felsen und linker Hand ein Stahlseil zum Anfassen. | |
Die spektakuläre
Uinaschlucht
Unbeschreiblich ist das Gefühl, das Rad durch
diese Schlucht zu tragen und zu schieben; alle
Qualen, alles Fluchen und Schwitzen waren
vergessen. Für die ersten 11 Tageskilometer
brauchten wir drei Stunden. Anschließend fuhren
wir über steinige Wiesen und eine steile
Schotterpiste in den sonnigen Vinschgau. Über
den Etschtalradweg erreichten wir unser sehr
empfehlenswertes Hotel |
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Hotel Montani in Morter |
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https://www.gpsies.com/map.do?fileId=bjgzgstdwblmbggf |
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Durch den Vinschgau und zum Teil auf dem Etschtalradweg fuhren wir die ersten 16 km leicht bergab. Ab dem Naturnser Bahnhof (530 Meter über NN) ging es auf einer Straße, später auf einer Schotterpiste 16 Kilometer nur bergauf bis zur Naturnser Alm (1.950 Meter über NN), also 1.400 Höhenmeter am Stück. Dafür benötigten wir 3,5 Stunden. Nach einer Stärkung schafften wir die folgenden 6,5 Kilometer in 1,5 Stunden. Mit einem leichten Unfall endete diese Etappe beim Eggwirt in Walburga im Ultental. | |
Auf der Naturnser Alm | |
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=temllfohdlkiiwhb |
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Noch fröhlich, aber mittlerweile nur noch zu dritt, starteten wir die 5. Etappe bei sonnigem Wetter und umrundeten den Zoggler Stausee, um nach St. Niklaus die ersten Schiebepassagen zu meistern. Eine tolle Abfahrt führte uns zur vorerst letzten Wasserstelle nach St. Gertrud. Ab hier war zunächst Schluss mit der Fröhlichkeit; es folgte der Aufstieg über 11 Kilometer zum Rabbi Pass. | |
Auf dem Rabbi Pass 2.460 NN |
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Die ersten 7 Kilometer bis zur Kirchbergalm
ließen sich noch einigermaßen aber sehr schwer
befahren, danach jedoch hieß es nur noch tragen,
schieben, stossen. Der einsetzende leichte
Nieselregen machte es uns nicht leichter. Die
reinste Schinderei bis auf 2.460 Meter Höhe.
Aber wir waren alle stolz, es geschafft zu
haben. Nach einer Brotzeit in der Rabbijoch
Hütte führte uns ein endlos langer Singletrail
am Rande eines Abgrundes, später über Almwiesen,
in das Val di Sole bis nach Dimaro. Dort
angekommen mussten wir zuerst einmal die Räder
waschen – alle voller Kuhkacke.
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=vvetctkpckhvamco
Tag 6: Dimaro – Madonna di Campiglio – Cimego 75
Kilometer, 1.700 Höhenmeter |
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Blick von Madonna de Campilio auf die Brenta-Gruppe |
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https://www.gpsies.com/map.do?fileId=wqldhpbydowfyxqw
Tag 7: Cimego – Tremalzo – Riva del Garda 64
Kilometer, 2.100 Höhenmeter
In den
Vortagen lagen die Temperaturen
bei 17 bis 25 Grad, am 7. Tag
bei 29 Grad. Ein bisschen Bange
hatte ich schon, und das zu
Recht. Wir starteten um 8:45 Uhr
und benötigten für die ersten 9
Kilometer 2,5 Stunden. Dann aber
folgte ein kilometerlanger Trail,
der für mich nicht immer fahrbar
war. Reinhard und Wolfgang
strahlten aber über beide
Backen. In Ampola und nach einer
kurzen Pause begann der Aufstieg
bis zur Tremalzo Hütte über 13
Kilometer auf der Straße. Alles
fahrbar, ebenso die letzten zwei
Kilometer auf Schotter bis zum
legendären Tremalzo Tunnel. Laut
Henri Lesewitz, Chefredakteur
der „Bike“, ist dies der “Gipfel
der Glückseligkeit“. „Der
Tremalzo ist nicht nur Gipfel,
er ist ein Mythos“…und ich stand
jetzt da oben und hatte ca. 29
Kilometer auf Schotter und
Singletrails auf dieser alten
Kriegsstraße von 1914
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vor
mir. Und diese 29 Kilometer hatten es in sich.
Zigmal musste ich absteigen, schieben und tragen
und natürlich auch viele Fotos machen und immer
wieder den Blick auf den Gardasee genießen.
Reinhard und Wolfgang haben immer auf mich
gewartet. Sehr schön dann das letzte Teilstück
dieser Strecke. Nach dem Bergdorf Pregasina
schlängelt sich die alte Ponale-Straße, die
längste Terrasse am Gardasee, hinunter bis Riva.
Ein Traum. Überglücklich erreichten wir den
Hafen in Riva und gönnten uns ein Weizenbier.
Unbeschreiblich war das Gefühl, diesen für mich
schweren Alpencross ohne Verletzung und ohne
Pannen geschafft zu haben. All die Qualen, die
Schinderei und die Flucherei der letzten sieben
Tage waren vergessen. Ich stand in Riva am
Gardasee, dem Mekka der Mountainbiker und habe
den Tremalzo bezwungen und darf laut Henri
Lesewitz ab sofort sagen: „Ich bin ein
Mountainbiker“. Nach einem guten italienischen Essen und einem Tag am See ging es mit einem kurzfristig gebuchten Bikeshuttle zurück nach Ehrwald. |
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Abfahrt vom Tremalzo und Ankunft in Riva |
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https://www.gpsies.com/map.do?fileId=czgtarcmeuvgdwqa
Fazit: Es war
mein dritter Alpencross mit dem Rad – und es war
mein letzter. Es waren schwere 438 Kilometer mit
12.800 Höhenmetern und 26.000
verbrauchten Kalorien.
Herzlichen
Dank an meine drei Begleiter Peter, Reinhard und
Wolfgang für diese unvergesslichen und
erlebnisreichen Tage. Schön war`s mit Euch… |